Warum die meisten Führungskräfte niemals erfolgreiche Changemaker*innen
werden

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In einer VUCA Welt – unvorhersehbar, unsicher, komplex, mehrdeutig – braucht es Mut einer ganz neuen Art, um langfristig erfolgreich zu sein und zu bleiben.

Es ist die Art von Mut, die Kontrolle, Recht haben, Dominanz und Vermeidung loslässt und dorthin schaut und geht, wo es schwierig ist. Das trauen sich nicht viele.

Tatsächliche Changemaker:innen haben das verstanden. Sie treten ein für eine Sache – ein Ergebnis, eine Idee, eine Vision, einen Erfolg zu dem sie sich entschlossen haben.

Mehr noch als eintreten: Erfolgreiche Changemaker:innen handeln nach dieser Überzeugung, auch wenn ihr Vorankommen dadurch manchmal chaotischer wirkt.

  • Sie gestalten Beziehungen anstatt jeden Schritt zu kontrollieren.
  • Sie zeigen sich als Person anstatt sich hinter ihrer Position zu verstecken.
  • Sie durchbrechen die Schranke des “Was man halt so macht” mit Mut und Verletzlichkeit.
  • Sie gehen in Spannungen hinein und durch sie hindurch anstatt sie zu vermeiden.
  • Sie machen ihr Ego konstant kleiner und lassen andere Recht haben.

Die Geschäftswelt ist voller missverstandener Versuche, etwas Großes zu bewegen.

Aber noch viel dramatischer: Sie ist auch voller Führungskräfte, die leicht ängstlich darauf warten, dass ihnen doch jemand sagt oder zeigt, was als nächstes zu tun ist: Der Markt, die Kunden, der Vorgesetzte, der Aufsichtsrat, der nächste Trend, der Wettbewerber, der nächste Strategie-Guru oder die Riege der Unternehmensberater, deren machtvolle Incentives sie dazu bringen diese Unsicherheit sogar noch zu verlängern oder sich selbst als das einzige Mittel für Klarheit im Dschungel der täglichen Führungs-Entscheidungen zu positionieren.

Die Corona-Pandemie mit all ihren Einschränkungen hat viele eiskalt überrascht. Wie können wir jetzt weiter machen? Was tun wir als nächstes? Geht es überhaupt weiter? Gibt es unsere Organisation, Initiative, Bestrebung noch in ein paar Monaten?

Faszinierend, wie schnell sich ein ganzes System an Entscheidungsträger:innen verunsichern lässt.

Nur einige wenige kommen aus solchen Turbulenzen kraftvoll, vielleicht sogar stärker heraus. Und deren Antrieb kommt nicht von Kontrolle und Macht, sondern von Vertrauen und Kraft.

Wie wir mit noch mehr Kontrolle gegen die Wand fahren

“Controlling comes from the need to be comfortable and safe, to avoid feeling awkward, uncomfortable, or unsafe. Controlling uses all the strategies you’ve learned over a lifetime to make yourself feel safe.”
― Susan Campbell

Kontrolle ist eine Vermeidungsstrategie.

Vermeide Unangenehmes!

Um jeden Preis!

Und wir alle haben uns durch die Erlebnisse unserer Vergangenheit eine Vielzahl solcher Strategien zurecht gelegt.

Wir tun so, als ob wir alles im Griff hätten, während wir nicht mehr wissen, wie es weiter geht.

  • Wir scherzen vor uns uns hin, während wir innerlich weinen.
  • Wir stellen Fragen, während wir eigentlich laut schreien wollen.
  • Wir sind professionell, während wir eigentlich Menschen sind

Das zieht sich bis in die strategischen Entscheidungen unserer Organisationen

  • Wir formulieren eine Vision und kommunizieren sie an alle, während wir selber nicht ganz so inspiriert, bewegt oder berührt davon sind.
  • Wir delegieren die Suche nach unserem Purpose an die nächste Unternehmensberatung.
  • Wir bringen Mitarbeiter:innen und Abteilungen dazu mehr Arbeit mit weniger Ressourcen und in kürzerer Zeit zu erledigen, während wir nur selbst nicht priorisieren oder die Kritik hören wollen, wenn wir zu etwas “Nein” sagen.

Tatsächlich führt aber noch mehr Kontrolle nicht zu mehr Sicherheit, wenn sich Rahmenbedingungen ändern und auch andere Menschen mit im Boot sind.

Kontrolle hat ihren Platz, wenn es um unser physisches Überleben angesichts von Gefahren geht. Doch nicht, wenn wir gemeinsam kreativ weiter kommen wollen.

Kontrolle kommt immer aus einer Idee heraus, wie die Welt sein sollte, wie du selbst und wie die anderen sein sollten. Das Leben läuft nur nicht so ab, wie es ablaufen sollte. Oder wie du glaubst, dass es ablaufen sollte.

Gestaltungsfreiheit entsteht dort, wo die Regeln, die du für dich und die Welt hast in den Hintergrund treten.

In “The Last Word On Power” bringt Tracy Goss als langjährige Leadership-Beraterin das auf den Punkt: “When you accept that life does not turn out the way it ‘should,’ you are free to take actions that are not constrained by the need to control life so it turns out the way that it ‘should’ (or, at the very least, to make sure life doesn’t turn out the way it “shouldn’t”).”

Auch ich habe während dem Schreiben dieses Artikels versucht, dich und deine Wahrnehmung von mir und dem, was ich zu sagen habe, zu kontrollieren. Ich will, dass du mich als kompetent, wortgewandt und klar wahrnimmst.

Ich will, dass du diesen Artikel mit anderen teilst, ihnen von mir erzählst. Würdest du?

Das alles bedeutet aber auch nicht, dass wir nie wieder Kontrolle ausüben sollen oder versuchen, einen bestimmten – guten – Eindruck zu hinterlassen.

Doch wenn Kontrollieren die einzigen 5 Tasten auf deinem Klavier sind, die du beherrschst, wirst du keine Sinfonien spielen. Dafür musst du deine Klaviatur erweitern.

Um einen wirklichen Unterschied zu machen in deinem Leadership musst du in Kontakt gehen, Risiken eingehen und deine eingeübten Kontrollstrategien für immer längere Zeiträume loslassen.

Wo ist der Haken? – Leadership als Verb

“Exercising leadership is an expression of your aliveness… But when you cover yourself up, you risk losing something as well. In the struggle to save yourself, you can give up too many of those qualities that are the essence of being alive, like innocence, curiosity, and compassion.”
― Ron Heifetz

Klingt doch leicht, oder? Wenn da nicht unsere zutiefst menschliche Aversion gegen ständiges Auf und Ab, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit wäre, kurz gegen VUCA.

Nur leben wir eben in einer VUCA Welt. Die Augen davor zu verschließen und noch fester an den Kontrollhebeln anzuziehen wird uns nicht magisch erlösen.

VUCA Bedingungen rufen nach Changemaker:innen, die sich trauen, zu gestalten und nicht nach Managern, die verwalten.

Leadership Guru John Kotter schreibt in seinem Artikel “Management Is (Still) Not Leadership”: “Leadership is entirely different. It is associated with taking an organization into the future, finding opportunities that are coming at it faster and faster and successfully exploiting those opportunities. Leadership is about vision, about people buying in, about empowerment and, most of all, about producing useful change. Leadership is not about attributes, it’s about behavior. And in an ever-faster-moving world, leadership is increasingly needed from more and more people, no matter where they are in a hierarchy. The notion that a few extraordinary people at the top can provide all the leadership needed today is ridiculous, and it’s a recipe for failure.”

Um unter diesen Bedingungen tatsächliche Veränderung zu bewirken, reicht nicht nur die formelle Autorität, die Führungskräfte durch ihre Position übertragen bekommen. Zugang zu ihr zu haben ist notwendig, aber nicht ausreichend.

Worauf es ankommt ist, informelle Autorität durch Vertrauen und Übereinstimmung in der Sache aufzubauen. Und besonders das Vertrauen ist es, womit sich Führungskräfte oft schwer tun.

Doch nur wer Zugang zu informeller und formeller Autorität hat, kann beginnen – paradoxer Weise – das Vertrauen an bewusst ausgewählten Stellen wieder zu enttäuschen und damit Leadership auszuüben. Dadurch treiben wirkliche Changemaker:innen Veränderungen voran.

Dazu brauchst du aber keine Position, sondern Feingefühl und Mut.

Der langjährige Leadership-Professor der Universität Harvard Kennedy School Ron Heifetz meint dazu: “Distinguishing leadership from authority helps us begin to see that if we understand leadership as a practice, as an activity, then it becomes available to anybody high or low, any place or position simply because they passionately care about some problem situation.”

Leadership ist eine Haltung. Und Handlung.

Etwas, das jede:r von jeder Position aus sein kann. Etwas, das jede:r tun kann!

Vergesst das Schlagwort “Laterale Führung”. Führung als bewusstes Handeln ist, worauf es ankommt. (Und bewusstes Handeln bedeutet nicht umtriebiger Aktionismus..)

Was Leadership ausmacht: Macht versus Kraft

“Greatness is the courage to overcome obstacles”
― David R. Hawkins

“A person’s success in life can usually be measured by the number of uncomfortable conversations he or she is willing to have.”
― Tim Ferriss

David Rooke und William R. Torbert schreiben in ihrem aufsehenerregenden Paper “Seven Transformations of Leadership” über die Handlungslogiken verschiedener Typen von Leadern. Sie haben dazu Tausende Führungskräfte und Changemaker:innen im Alter zwischen 25 und 55 in verschiedensten Branchen und Firmen unterschiedlicher Größe in den USA und Europa befragt.

Dabei finden sie, dass 55% aller Befragten unterdurchschnittliche individuelle und Unternehmens-Performance zeigten. Nur geringfügig besser waren die 30%, die sie als “Achiever” einordnen.

Das bedeutet, dass über 80% (!) der Führungskräfte unterdurchschnittlich performen. Spannend ist, dass sie alle aus einer eindeutigen Kontroll-Überzeugung handeln.

Von den 5% Opportunisten, die selbstgerecht manipulativ alles durchsetzen, was ihnen Gewinn verspricht, über die 12% Diplomaten, die es allen Recht machen wollen und die 38% Experten, die durch Logik und Expertise und schlussendlich Rechthaben punkten bis hin zu den 30% Achievern, die Ziele erreichen und Pflichten erfüllen. Sie alle kontrollieren ihr Outcome.

Die wirklich effektiven Führungskräfte und Changemaker:innen mit überdurchschnittlicher Performance waren die 15%, die Kontrolle und Überzeugungen loslassen und tatsächlich gestalten.

Wenn uns aber unsere Ideen über Kontrolle und wie die Welt sein sollte für diese Art von Handlung im Stich lassen, wo bleiben wir dann? Was tun wir dann? Wie verändern wir dann effektiv?

Wenn du Veränderung bewirken willst, musst du lernen dich in den Moment hinein zu entspannen, das Unwohlsein des Nichtwissens zu akzeptieren und von dem aus Handeln, was gerade da ist. So wie in

  • Ich erzähle dir, was ich tatsächlich denke – ohne zu wissen, wie du reagierst.
  • Ich stehe für eine Idee ein ohne mich positiv positionieren und gut dastehen zu wollen.
  • Ich teile mit dir, wie es mir tatsächlich geht ohne deine Wahrnehmung von mir zu kontrollieren.
  • Ich sage, wenn ich etwas nicht weiß, selbst, wenn ich es “wissen sollte”.
  • Ich gebe meine wirklichen Intentionen für eine bestimmte Handlung, Fragen, etc. preis.
  • Ich stelle die Frage, die ich tatsächlich stellen will, anstatt dich zum Antworten hin zu manipulieren.

Du musst lernen, diesen unangenehmen Zwischen-Zustand des Noch-nicht-Wissens zu akzeptieren, der Teil jedes Gesprächs, jeder ehrlichen Frage, jedes zwischenmenschlichen Moments ist.

Der Moment in dem du etwas Riskantes gesagt hast und noch nicht klar ist, wie dein Gegenüber, deine Vorgesetzten, Mitarbeiter:innen, etc. reagieren.

Der Moment in dem du eine Idee aufgeworfen oder ein Problem angesprochen hast und noch nicht weißt, ob sich jemand angegriffen oder unterstützt, abgedreht oder ermächtigt fühlt.

Der Moment in dem du Erwartungen bewusst oder unbewusst enttäuscht und ein anderer Weg ein Problem zu lösen notwendig wird.

Das bedeutet ultimativ sich nicht hinter einer Rolle oder Position zu verstecken, sondern Mensch zu sein und sich als solcher zeigen.

Es bedeutet auch, Verantwortung zu übernehmen – zuerst für sich selbst, dann für die Menschen, die du führst – und das alles mit Blick auf die Sache, die Idee, die Vision oder Mission, der du dich verschrieben hast.

Daraus entsteht wirkliche Macht – keine positionsabhängige, sondern eine durch Vertrauen übertragene Macht.

Changemaker:innen, die das beherrschen, brauchen keinen Zwang mehr, keine Befehle, keine Erlaubnis durch ihre Position, sondern haben tatsächlichen Einfluss – die Kraft, etwas zu verändern.

Brené Brown sagt:

”Vulnerability sounds like truth and feels like courage. Truth and courage aren’t always comfortable, but they’re never weakness”
– Brené Brown

Denn die Kontrolle oder Kontrolliertsein, das dein tägliches Handeln regelmäßig prägt, loszulassen und für das, was Sache ist, in einem bestimmten Moment die Verantwortung zu übernehmen, erfordert nicht nur sehr klare Wahrnehmung, sondern vor allem auch Mut.

Wenn du in den letzten Wochen keinen Mut gebraucht hast, keine mutigen, schwierigen, verletzlichen Gespräche geführt hast, dann hast du vermutlich auch nicht wirklich viel bewirkt, dann hast du klein gelebt, auf Sicherheit und Kontrolle bedacht, vermieden tatsächlich zu handeln.

Für Leadership sind Spannungen das täglich Brot

„Was der Mensch eigentlich braucht, ist kein entspannter Zustand, sondern das Streben und das Ringen nach einem Ziel, das seiner würdig ist. Was er braucht, ist nicht die Befreiung von Spannungen um jeden Preis, sondern der Ruf eines möglichen Sinns, der darauf wartet, von ihm erfüllt zu werden.“
Viktor Frankl

Menschen tun alles, um Spannungen zu vermeiden.

Sie suchen einen Sündenbock.

Sie tun so, als gäbe es ein Problem gar nicht.

Sie attackieren andere, anstatt über die Sache zu sprechen.

Sie versuchen unter allen Umständen Recht zu behalten.

Sie setzen alles daran zu dominieren oder die Dominanz anderer zu vermeiden.

Doch wir sind nicht gemacht dafür, ein Leben ohne Spannungen zu leben. Der Ärger, der hochkommt, wenn jemand unsere Grenzen verletzt, ist genauso gesund und wichtig wie die Begeisterung über ein vielversprechendes Projekt.

Die Traurigkeit darüber, eine liebgewonnene Idee gehen lassen zu müssen ist genauso relevant für gemeinsames Weiterkommen, wie die Freude über gemeinsam Erreichtes.

Viele Führungskräfte leben zwei komplett unterschiedliche Leben: Ein lebendiges Leben außerhalb der Arbeit in dem sie sich verletzlich zeigen können und ein professionelles Leben, das durch Vortäuschen von Stärke und dem Spielen einer Rolle gekennzeichnet ist, wenn sie arbeiten. Manche kennen überhaupt nur Letzteres.

Dadurch friert das tatsächliche Potenzial für Veränderung, das Erreichen gemeinsamer Visionen und das für sie und ihr Leadership so notwendige Vertrauen ein. – Genauso wie sie selbst.

Es ist – wieder – eine Vermeidungsstrategie.

Eine Strategie um Sicherheit zu haben.

Eine Strategie der Kontrolle.

Es braucht mehr Changemaker:innen, die Spannung nicht nur aushalten, sondern in sie hinein und durch sie hindurch gehen. Zum Wohle der Sache, der Vision, des Beitrags, den sie bringen.

Das bedeutet auch, Verletzlichkeit zu- und Kontrolle loszulassen, in Kontakt zu gehen und das eigene Ego regelmäßig zu hinterfragen.

Zusammenfassung

“Until recently, most people thought of their lives and their identities as basically stable, punctuated every now and then by some big event or crisis that required them to change. Now that we are confronted every day with the fact that we and everything around us are in constant flux, we are being forced to revise our ideas about who we are and what is real. We’re beginning to suspect that we are really not in control of very much that goes on around us. And some of us are noticing that we no longer feel as sure as we once did about what we want to happen or what we think should happen.”
Susan Campbell

Wir leben in einer Welt von geänderten Anforderungen –

Volatil

Unsicher

Komplex

Mehrdeutig

– und tun so, als ob alles beim Alten wäre und wir nur mit genug Kontrolle alles wieder zurechtbiegen können.

Aber Einstein hat uns schon gesagt “Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.”

Wir brauchen ein neues Bewusstsein, wie wir tatsächlich Veränderung in Organisationen und unserem eigenen Leben bewirken können. Einen neuen Narrativ.

Gestaltest du Beziehungen anstatt jeden Schritt zu kontrollieren?

Wann bist du das letzte Mal in ehrlichen, verletzlichen Kontakt mit deinem Umfeld gegangen?

Versteckst du dich hinter deiner Position, um nicht als Person gesehen zu werden?

Wann hast du das letzte Mal etwas anderes gemacht als das “was man halt so macht”?

Wann hast du zum letzten Mal etwas Mutiges getan, ein schwieriges Gespräch gesucht?

Vermeidest du Spannungen oder gehst du durch sie hindurch?

Hinterfragst du dein Ego und lässt andere Recht haben?

Wir brauchen mehr Changemaker:innen, die Veränderungen anstoßen können und auch nicht davor zurückschrecken, dass es zu unangenehmen Spannungen, Unwohlsein oder zu Kratzern im eigenen Ego kommt (oder sogar zum Bröckeln davon).

Bist du bereit, diese Verantwortung zu übernehmen?

Ready to Upgrade?

Ich habe ein Cheat Sheet gestaltet mit dem du dich von alltäglichen Ängsten befreien kannst. Komm raus aus dem Überlebensmodus und sofort in einen PEAK STATE. Wenn du das täglich machst, wird sich dein Leben und Wirken sehr schnell verändern.